Sensibel Sanieren - eine alte Wassermühle erhalten und ihr Zukunft schenken
- Maike Kristina Harich
- 21. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Sept.

Sich an die Sanierung eines Denkmals zu trauen, ist was für Menschen mit viel Optimismus, Tatkraft und Visionen. Manchmal scheint es dabei durchaus von Vorteil, vorher nicht so genau zu wissen, worauf man sich da einlässt. Denn schon öfter habe ich gehört: „Wenn wir vorher gewusst hätten, was auf uns zukommt, hätten wir das nicht gemacht. Aber trotzdem würden wir es immer wieder machen.“
Auf ähnliche Erfahrungen blicken auch Kerstin und Holger aus Fischerhude. Das idyllische Künstlerdorf nahe Bremen ist an sich schon ein Kleinod. Seit vielen Jahren zieht es mich regelmäßig zu Spaziergängen und Galeriebesuchen dort hin.

Ein altes Foto der Wassermühle und rechts die neuen Holzbalken, auf denen das Gebäude nun steht.
Ein besonderer Gebäudeschatz verbarg sich im Zentrum des Ortes hinter einer mit fraglichen Mitteln instandgehaltenen Fassade: die alte Wassermühle. Viele Jahre wurde sie als Ausflugslokal genutzt, bevor sie zum Verkauf stand und von Kerstin und Holger, zwei Menschen mit oben erwähnten Charaktereigenschaften, zufällig entdeckt wurde. Vielleicht war es ein bisschen wie mit einer streunenden Katze, die einem zuläuft: eigentlich war es nicht geplant, aber man hat sie sofort in sein Herz geschlossen und kann sie nicht wieder abgeben.

Der Innenhof
Und so machte sich das Paar ohne Vorerfahrung 2015 an die Arbeit. Erst mit der Entkernung und dann mit dem Neuaufbau. Was hier kurz und knapp klingt, war äußerst komplex und ein jahrelanger Kraftakt. Jeder der Ziegelsteine wurde herausgenommen, so dass letztendlich fast nur noch das Fachwerk stand. Für ein solides Fundament und weil Ständer durchgemodert waren, musste das gesamte Haus wie mit einem Wagenheber aufgebockt werden, um darunter arbeiten zu können. Der Boden wurde ausgekoffert, die Balken mit Trockeneis abgestrahlt, die Fassade neu aufgebaut (jeder der Ziegel vorher per Hand abgebürstet. Jeder!) und die Fugen mit Muschelkalk gefüllt, 14 Tonnen Leichtlehm in die Wandverschalungen gebracht, Kupferrohre verlegt, eine Wandtemperierung eingebaut, Holzfaserdämmplatten vor die Holzverschalung geschraubt, die Innenwände mit Lehm verputzt und und und.
Einblick in die Sanierungsarbeiten
Eine Herausforderung der beiden war, Handwerksbetriebe zu finden, die sich zum einen mit solch alten Häusern und den Vorgaben des Denkmalschutzes auskennen und die dann auch noch Lust auf die Details und Knobeleien haben, die solch ein Haus mit sich bringt. Schließlich ist nichts wirklich normiert und gefühlt alles schief. Und zusätzlich sind es die kleinen Dinge, wie dekorative Holzfensterrahmen innen, die die besondere Atmosphäre ausmachen, aber auch Gedanken und Zeit kosten. Empfehlungen von ihrem Architekten und anderer Sanierer halfen. Und auch unkonventionelle Ideen: „Wir haben uns ins Auto gesetzt und sind über die Dörfer gefahren. Wenn wir schön sanierte alte Häuser entdeckt haben, haben wir einfach geklingelt und gefragt, mit welchem Handwerksbetrieb sie gearbeitet haben.“

Das Wohnzimmer heute
Viele der Arbeiten haben die beiden aber selbst bewältigt. Mit Hilfe von Familie und Freunden. Das braucht Zeit – vor allem wenn man „nebenbei“ noch voll arbeitet. Weihnachten 2016 war als erstes die Ferienwohnung fertig (Die Ferienwohnung kann unter https://alte-wassermuehle-de.jimdoweb.com/ gebucht werden. Sie ist ca. 50qm groß und für 1-2 Personen geeignet), in der sie dann erstmal leben konnten. Im Mai 2017 konnten sie in den Hauptteil der Mühle ziehen, in dem aber weiter gebaut wurde. Erst 2023 wurde schließlich auch das Obergeschoss fertig.
Die Ferienwohnung
Wer heute durch die Räume geht, sieht nicht nur, dass hier Menschen mit gutem Geschmack und einem Händchen für Design leben, sondern spürt eine warme und geborgene Atmosphäre. Dazu tragen die Farben und das Interieur bei, aber besonders auch das Raumklima. Die Lehmwände sorgen für konstante angenehme Temperaturen und Trockenheit, denn sie lassen die Feuchtigkeit so zirkulieren, dass sich nichts staut.

Die Privaträume: Schlafzimmer in Naturmaterialien, offene Küche und großer Esstisch für viele Gäste.
Den Primärenergieverbrauch konnten sie insgesamt durch die Sanierung sogar um 90% senken und haben damit die Auszeichnung „Die Grüne Hausnummer“ für besonders energieeffiziente Häuser im Bereich Denkmal bekommen.
Auszeichnung "Die grüne Haustür" und einladender Eingangsbereich
Das reicht den beiden aber noch nicht. Sie haben die Idee, Energie durch Aquathermie zu gewinnen. Auch wenn das Mühlrad schon lange nicht mehr existiert, so fließt doch direkt neben der Mühle noch der Bach, dessen Kraft aus dem Oberflächenwasser nutzbar gemacht werden könnte. Da das allerdings ein recht innovativer Weg mit vielen bürokratischen Hindernissen ist, kommt als leichter umzusetzender Schritt wahrscheinlich erstmal eine Photovoltaikanlage. Die gäbe es inzwischen, was viele nicht wissen, auch in Rot, so die beiden, so dass sie auch optisch gut auf ein Dach eines Denkmals passt.

Neben dem Gebäude selbst haben Kerstin und Holger auch einen wunderschönen Garten angelegt. Mit Nebengebäuden und Werkstatt, einer großen Terrasse und einem Hof, der sich zur Dorfstraße hin öffnet. Kein Zaun, keine Abschottung. Trotz der Scharen von Spaziergängerinnen und Spaziergängern, die Fischerhude besonders am Wochenende besuchen. „Wir lieben es, dass hier was los ist und immer wieder nette Gespräche entstehen.“ Deshalb auch die Idee mit der Ferienwohnung. Viele ihrer Gäste sind regelmäßig zu Besuch und zu Freunden geworden.
Terrasse, Nebengebäude und der idyllische Naturgarten
Und was würden sie anderen Menschen raten, die überlegen, ein denkmalgeschütztes Haus umzubauen? „Machen! Es ist viel Arbeit, aber es lohnt sich. Es warten so viele alte Häuser darauf, wachgeküsst zu werden. Und sie sind so wichtig für unsere Identität und die jeweilige Region“, so Kerstin.
Über eine besondere Resonanz des Denkmalschützers haben sie sich besonders gefreut, der nach der Fertigstellung zu ihnen sagte: „Die Mühle hat jetzt ihre richtigen Besitzer gefunden!“

Der Esstisch in den Privaträumen. Über eine Zwischenetage geht es hoch zum Wohn- und Schlafzimmer.
Vielen Dank an Kerstin und Holger für den Rundgang durch ihre schöne Wassermühle!
Fotos vom Umbau: Kerstin & Holger
Fotos vom jetzigen Haus & Garten sowie Text: Maike Kristina Harich
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